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  • THOMAS GAUL | FACHJOURNALIST FÜR BIOENERGIE | AGRARWIRTSCHAFT
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Biokraftstoffe: Neue gesetzliche Rahmenbedingungen sorgen für Verunsicherung

Welche Rolle spielen Biokraftstoffe bei der Gestaltung einer nachhaltigen Mobilität? Zu diesem Thema lud die Agentur für Erneuerbare Energien zu einer Pressefahrt ins Rheinland.

„Wir waren bei Biokraftstoffen schon einmal weiter“, sagte der NRW-Landtagsabgeordnete Hubertus Fehring (CDU) auf dem Pressegespräch am Vorabend in Düsseldorf. Denn der Absatz der Biokraftstoffe ist auf nur 5,3 Prozent des Verbrauchs geschrumpft, und bei der öffentlichen Diskussion über den Antrieb der Zukunft dreht sich im Moment alles um die Elektromobilität, aber so gut wie nichts um Bioethanol und Biodiesel. Dazu beigetragen hat sicherlich die Diskussion um die vermeintliche Knappheit von Ackerflächen unter dem Motto „Teller oder Tank?“. Fehring erinnerte daran, dass bis Anfang der 50er Jahre ein Fünftel der Ackerfläche erforderlich war, um das Futter für die Zugtiere zu produzieren. Angesichts der seitdem drastisch gestiegenen Produktivität der Landwirtschaft dürfte Flächenknappheit daher kein Problem sein.

Auf die Biokraftstoff-Hersteller und damit auch auf die Landwirte als Rohstofflieferanten kommen ab dem nächsten Jahr erhebliche Veränderungen zu. Die Preisgestaltung für Raps und der zu erwartende Absatz von Biodiesel und Bioethanol wird auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt. Das sorgt in der Branche für Verunsicherung, wie jetzt auf einer Presseveranstaltung deutlich wurde, die von der Agentur für Erneuerbare Energien veranstaltet wurde.

Der Hintergrund: Bisher ist die Mineralölindustrie verpflichtet, eine Mindestmenge an Biokraftstoffen in den Verkehr zu bringen. Die Menge soll mit einer sogenannten Verwendungsquote erfüllt werden, die auf 6,25 Prozent des gesamten Kraftstoffabsatzes festgelegt wurde. Wie die Industrie diese Verpflichtung erfüllt – als Beimischung von Biodiesel (B7) oder als Beimischung von Bioethanol zu Benzin (E5, E10) bleibt ihr überlassen. Doch nun setzt die Bundesregierung die Kraftstoffqualitätsrichtlinie der Europäischen Union in nationales Recht um. Das Ziel ist, auch mit Kraftstoffen zu einer Verringerung der Treibhausgasemissionen (THG) beizutragen. Deshalb muss die Mineralölindustrie ab 1. Januar 2015 dafür sorgen, dass mit ihren Kraftstoffen drei Prozent weniger Treibhausgase ausgestoßen werden. Diese „Klimaschutz-Quote“ steigt ab 2017 auf 4,5 Prozent und 2020 auf sieben Prozent. Zum Erreichen dieses Ziels werden die Mineralölfirmen Biokraftstoffe einsetzen. Denn sie erhalten mit jeder Lieferung Biodiesel oder Bioethanol einen Nachweis, wieviel Treibhausgase mit dem jeweiligen Biokraftstoff im Vergleich zum fossilen Pendant eingespart werden. Dadurch verbessert sich die THG-Bilanz der an der Zapfsäule verkauften Kraftstoffe insgesamt, sodass die angestrebte Reduzierung um drei Prozent erreicht werden kann.

Die Produzenten von Biokraftstoffen haben in letzter Zeit einiges getan, um die Herstellungsprozesse zu optimieren und so die Treibhausgaseffizienz der Biokraftstoffe zu steigern. Dadurch haben die Produzenten von Biodiesel und Bioethanol erreicht, dass ihre Kraftstoffe höchstens noch halb so viele Treibhausgase ausstoßen wie fossile Kraftstoffe. Die „THG-Effizienz“ beträgt nach Angaben der Hersteller 50 bis 60 Prozent. Doch dieser Fortschritt wird nicht belohnt, fürchten die Biokraftstoffhersteller. Denn durch die höhere Effizienz wird nur eine kleinere Menge an Biokraftstoff benötigt, um die Quote zu erfüllen. „Dazu würden 1,5 Mio. t Biodiesel ausreichen“, sagte Dr. Robert Figgener, Präsident des Verbandes der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB), auf dem Pressegespräch in Düsseldorf. Biodiesel leistet bei der Erfüllung der bisherigen, energetischen Quote den weitaus größten Beitrag und stellt somit den wichtigsten Biokraftstoff in Deutschland dar. 2013 hatte Biodiesel einen Anteil von rund sechs Prozent am deutschen Dieselmarkt. Nachdem „reine“ Biokraftstoffe schlechter steuerlich schlechter gestellt wurden, ist der Absatz stark zurückgegangen. Die Auslastung der deutschen Biodieselhersteller lag im vergangenen Jahr bei 54 Prozent, bei einer Produktionskapazität von 4,8 Mio. t im Jahr.

Bereits seit 2011 müssen die Biokraftstoffhersteller nachweisen, dass die Produktion ihrer Kraftstoffe nachhaltig erfolgt. Die Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung verpflichtet sie dazu, die Herkunft der Biomasse lückenlos nachzuweisen. Das Einhalten der Nachhaltigkeitsverordnung wird durch Zertifizierer überwacht, der bereits die Rohstoffgewinnung beim Landwirt überprüft. Im Vordergrund steht dabei der Schutz natürlicher Lebensräume. Das bedeutet: Torfmoore und andere Flächen mit hohem Kohlenstoffbestand sind wie Flächen mit hohem Naturschutzwert generell von der Rohstoffgewinnung für Biokraftstoffe ausgeschlossen. In der Praxis bedeutet das ein faktisches Umbruchverbot für Grünland.

Was das heißt, verdeutlichte Christian Gladbach, Landwirt in Wülfrath: „Wenn ich einen Grünstreifen umbrechen möchte, um eine Fläche erosionsschonend quer zum Hang zu bewirtschaften, darf ich den angebauten Raps nicht als nachhaltig vermarkten. Das gilt selbst dann, wenn ich an anderer Stelle eine gleich große Fläche Grünland anlege.“ Auf Grund der hohen Niederschläge von rund 1 000 mm hat Gladbach seinen Ackerbaubetrieb am Rande der Mettmanner Löß-Lehm-Platte schon vor Jahren seinen Betrieb auf die pfluglose Bewirtschaftung umgestellt. Winterraps nimmt einen Anteil von 30 Prozent an der Fruchtfolge ein. „Durch die Biodieselproduktion ist der Rapsanbau für uns interessant geworden“, sagte Gladbach. Traditionell werden im Rheinland Zuckerrüben in großem Umfang angebaut.

Vermarktet wird der Raps über die örtliche Genossenschaft an die Ölmühle Thywissen in Neuss. Das Unternehmen befindet sich in seinem 175. Jahr in der sechsten Generation im Familienbesitz. In der Ölmühle in Neuss am Rhein werden im Jahr 700 000 t Ölsaaten verarbeitet. Das entspricht in etwa der Menge, die zwei große Rheinschiffe transportieren können. Der Rhein ist für das Unternehmen auch der wichtigste Transportweg, denn die Raps-, Sonnenblumen- und Leinsaaten, aus denen die Öle hergestellt werden, kommen nicht nur aus der Region wie vom Landwirt Gladbach, sondern werden auch aus anderen Regionen der Erde importiert. Auf zwei separaten Linien kann Thywissen das gepresste Pflanzenöl raffinieren. Die Linie 2 wurde im vergangenen Herbst in Betrieb genommen und verarbeitet hauptsächlich Rapsöl. In dem Prozess der Raffination werden unerwünschte Begleitstoffe entfernt. Denn diese könnten die Weiterverarbeitung zu Biodiesel stören oder Geschmack, Geruch und Aussehen negativ beeinflussen, wenn das Rapsöl als Speiseöl vermarktet werden soll. Eine Tonne Rapssaat wird zu ca. 40 Prozent in Öl und zu 60 Prozent in Schrot umgewandelt, das in der Futtermittelproduktion Verwendung findet. Dieses Raps-Extraktionsschrot kann als heimisches Protein den Import von Soja-Futtermitteln begrenzen helfen.

Doch was passiert, wenn jetzt die „Klimaschutz-Quote“ kommt? „Wir zeichnen im Moment keine Terminkontrakte“, sagte Firmenchef Wilhelm F. Thywissen. „Keiner weiß, was nach dem 1. Januar 2015 bei der Umstellung auf die THG-Quote kommt. Der Markt kann völlig einbrechen.“ Biokraftstoffe vermeiden nach Angaben des Bundesumweltministeriums mehr als fünf Millionen Tonnen Kohlendioxid im Jahr. Das ist mehr, als der Gesetzgeber zunächst angenommen hatte. Die Hersteller fordern deshalb, dass die THG-Quote an der Leistungsfähigkeit der Biokraftstoffindustrie ausgerichtet wird. „Statt einer THG-Quote von 3 können wir auch 4,5 Prozent mit Biokraftstoffen schaffen“, sagte Wilhelm F. Thywissen, der auch zugleich Präsident der ölsaatenverarbeitenden Industrie (OVID) ist: „Wir fordern deshalb ein Vorziehen der Quote mit dem Ziel von 4,5 Prozent, das für 2017 geplant ist.“

Auch die Landwirte werden es zu spüren bekommen, wenn die Reduzierung von THG zum preisbildenden Faktor wird. Denn die Mineralölindustrie will aus eigenem Interesse möglichst wenig Biokraftstoff einsetzen und wird deshalb den Biokraftstoff nutzen, der einen hohen Reduktionswert aufweist. Das ist neben importiertem Bioethanol auch die Verwendung von Altspeisefetten, die auch noch doppelt auf die Quote angerechnet werden. Dabei ist es nur eine Frage der Definition, was Altspeisefette sind. Nach Ansicht der Biokraftstoffhersteller besteht deshalb die Gefahr, dass Angaben über die THG-Reduktion gefälscht oder Berechnungen nicht richtig vorgenommen werden. „Das System ist von Grund auf falsch aufgesetzt und muss dringend korrigiert werden“, fordert Wilhelm F. Thywissen. Doch strenge Kontrollen möchte das Bundesumweltministerium aus europarechtlichen Bedenken nicht umsetzen.

THOMAS GAUL

Erschienen in LAND & Forst / 2014